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Verschnörkelte Glaswege


Auf einen verschwundenen Schrägaufgang zur ehemaligen Wadgasser Cristallerie
 

Ein alter Schrägaufgang zum historischen Glasbläsersaal der ehemaligen Wadgasser Cristallfabrik war bereits im 19. Jahrhundert angelegt worden, um die Glasmacher, aber auch die unterschiedlichen Werkstoffe, die für die Glasherstellung erforderlich waren, leichter in die höher gelegenen Bereiche der Cristallerie zu transportieren. Die vier Glasöfen wurden von unten befeutert, was eine enorme Erleichterung war und eine kontinuierliche Glasmacherei ermöglichte. Die Glashütte verfügte nicht nur für die Herstellung spezieller Werkzeuge, die man zum Glasmachen benötigte, über eine Schreiner- und eine Metallwerkstatt, die auch dafür zuständig war, z.B. Geländer für abschüssige Schrägaufgänge anzufertigen. Vieles ist in Vergessenheit geraten, wie es zu solchen Geländern kam, in welcher Weise die Handwerker eigene Ideen mit einbringen konnten, um einem einfachen Geländer ein wenig Besonderheit und Charme zu verleihen: Es sollte ja auch gut aussehen und nicht nur seinen Zweck erfüllen. Aus der letzten Zeit seiner Existenz im Jahr 2011 stammt die Abbildung des Stützgeländeranfangs am Beginn der alten Glashüttenrampe.

Man kann es deutlich sehen: die schon rostig gewordenen Metallteile des Geländers sind einfach, aber trotzdem kunstvoll nach vorne gebogen. Mit elegantem Schwung begrüßten sie jeden, der über die Rampe zum großen Saal der Glashütte gelangen wollte und haben den zum Hüttensaal Gehenden so typische Glasformen bereits mit auf den Weg gegeben. Ein unbewusst, fast beiläufig wahrnehmbarer Gruß zum Beginn der harten und schweißtreibenden Arbeit an den glühenden Häfen der Glasöfen. Zarte Birkenzweige haben auf dem Bild bereits begonnen, den barock anmutenden Geländeranfang zu umspielen und mit ihren hellgrünen Blättern den Geländerrost zu begleiten.

Alltags- und Gebrauchsgegenstände waren seit der Steinzeit die ersten Stücke, an denen die Menschen ihre Kunstfertigkeit versuchten. Messergriffe, Speerspitzen oder auch Werkzeuge wurden so ein Stück persönlicher, ein wenig mehr zum eigenen Ausdruck von Welt und eigenem, persönlichem Umgang mit ihr verarbeitet. Die Handwerker im Umfeld der Wadgasser Glasmacher hatten für die Sicherheit des Schrägaufgangs zu sorgen. Sie waren trotzdem angetan von den zerbrechlichen und runden Glaskunstwerken, mit denen die Hütte und somit ihre Mitarbeiter ihr Brot verdienten. So nimmt es nicht Wunder, dass der rostige Geländerschwung an eine umgestülpte Glassilhouette erinnert, eine Form, die zum Glasmachen gehört, seit Römer und Ägypter begonnen haben, filigrane Glasbehälter zu schaffen. Rampe und kunstvolles Geländer sind leider heute verschwunden. Es bleibt die Erinnerung an die Gleichzeitigkeit von eisernen und gläsernen Schwüngen aus der vergangenen Wadgasser Cristallzeit, die lediglich in Bildern und Worten noch fortwirkt.

 

Patrik H. Feltes

 

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©  Patrik H. Feltes